Die US-Investmentbank Morgan Stanley sieht die türkische Wirtschaft an einem Wendepunkt. In einem aktuellen Bericht, der die Entwicklung der Schwellenländer bis 2025 analysiert, geht das Institut davon aus, dass die Inflation in der Türkei im kommenden Jahr auf rund 20 Prozent sinken und eine Phase schrittweiser Zinssenkungen eingeleitet wird.
Stärkeres Vertrauen dank strengerer Wirtschaftspolitik
Morgan Stanley lobt die seit Mai 2023 durchgeführten wirtschaftspolitischen Anpassungen, die eine deutliche Straffung der monetären und fiskalischen Rahmenbedingungen mit sich brachten. Diese Maßnahmen hätten nicht nur makroökonomische Ungleichgewichte reduziert, sondern auch das Vertrauen sowohl im Inland als auch international gestärkt. Bemerkenswert sei der Rückgang der sogenannten Devisen geschützten Einlagen (KKM) von einem Höchststand von 140 Milliarden US-Dollar im August 2023 auf aktuell 38 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig sei der Anteil der türkischen Lira an den Gesamteinlagen um 13,6 Prozentpunkte gestiegen.
Morgan Stanley hob außerdem die gestiegene Widerstandsfähigkeit der türkischen Wirtschaft hervor: Die Nettoportfolioströme hätten sich von 2 Milliarden US-Dollar im Vorjahr auf 17 Milliarden US-Dollar bis September 2024 erhöht, während die Leistungsbilanzdefizitquote von -3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf -0,8 Prozent gesunken sei. Diese Entwicklungen führten zu einem deutlichen Anstieg der Währungsreserven, was sich auch in einer verbesserten Bonität widerspiegele. Die drei großen Ratingagenturen hätten die Kreditwürdigkeit der Türkei in diesem Jahr um jeweils zwei Stufen angehoben.
Abkühlung der Binnennachfrage, aber widerstandsfähiger Konsum
Trotz der positiven Entwicklungen betont der Bericht eine Abschwächung der wirtschaftlichen Dynamik. Das Wachstum des realen BIP sei von 5,3 Prozent im ersten Quartal 2024 auf 2,5 Prozent im zweiten Quartal zurückgegangen, was auf eine ausgewogenere Verteilung zwischen inländischer Nachfrage und Nettoexporten hindeute. Im dritten Quartal habe sich die Abkühlung fortgesetzt, mit rückläufiger Industrieproduktion und schwachen Einkaufsmanagerindizes. Dennoch zeigen positive Trends bei den Einzelhandelsumsätzen und eine leichte Erholung des Verbrauchervertrauens die Resilienz der Binnennachfrage.
Inflation vor entscheidender Wende
Der Bericht sieht die Türkei an einem Wendepunkt in Bezug auf die Inflation. Während die Kerninflation auf die geldpolitische Straffung gut anspreche, bleibe die Dienstleistungsinflation weiterhin hartnäckig hoch. Dies sei teilweise auf die Aufhebung von Preisregulierungen, etwa bei Mieten und Bildung, zurückzuführen, aber auch auf hohe Inflationserwartungen und eine nach wie vor robuste Nachfrage.
Morgan Stanley erwartet, dass die Gesamtinflation bis Ende 2025 auf 26 Prozent sinken könnte, unterstützt durch ein weiteres moderates Nachlassen der Binnennachfrage und ein Festhalten an strikten makroprudenziellen Maßnahmen.
Vorsichtige Zinssenkungen in Sicht
Vor diesem Hintergrund rechnet die Investmentbank mit einem behutsamen Beginn eines Zinssenkungszyklus ab 2025. Die Zentralbank der Republik Türkei (TCMB) habe ihre Inflationsprognosen zuletzt nach oben korrigiert und erwartet nun eine Inflation von 21 Prozent bis Ende 2025. Dabei werde die restriktive Geldpolitik weitgehend beibehalten, um makroökonomische Stabilität zu gewährleisten.