Die Schätze Südostanatoliens: Eine Reise zu den antiken Städten der Region

07.10.2024 – 6:30 Uhr

Südostanatolien, ein Landstrich, der die Spuren uralter Zivilisationen in sich trägt, offenbart mit seinen geheimnisvollen antiken Städten auf eindrucksvolle Weise die Geschichte der Menschheit. Diese Region, die als eine der ältesten besiedelten Gebiete der Welt gilt, lädt den Reisenden zu einer faszinierenden Zeitreise ein, die ihn durch die Jahrtausende führt und die Spuren längst vergangener Kulturen sichtbar macht. Hier ist jede Stadt, jeder Stein und jede Ruine ein lebendiges Zeugnis vergangener Epochen, das uns nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft blicken lässt.

Südostanatolien ist mehr als eine Touristenattraktion – es ist ein offenes Geschichtsbuch, das die Geheimnisse alter Zivilisationen enthüllt und Historiker und Abenteurer gleichermaßen begeistert. Wir werfen einen Blick auf einige der faszinierendsten antiken Städte, die diese Region zu bieten hat, und tauchen tief in die Geschichte dieser uralten Welt ein.

Nemrut Dağı: Ein Reich zwischen Himmel und Erde

Hoch oben auf dem Nemrut Dağı bei Adıyaman thront eine der imposantesten Hinterlassenschaften der Kommagene-Könige. Auf diesem Berg errichtete König Antiochos I. im Jahr 62 v. Chr. ein monumentales Heiligtum, das sowohl den Göttern als auch seiner eigenen Dynastie gewidmet war. Die riesigen Statuen, die den Gipfel zieren, stellen Zeus, Apollo und andere mythologische Figuren dar und sind ein einzigartiges Beispiel für die Verschmelzung griechischer und persischer Einflüsse.

Der Nemrut Dağı, der heute zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, beeindruckt nicht nur durch seine kolossalen Skulpturen, sondern auch durch die mystische Atmosphäre, die die antike Stätte umgibt. Der Sonnenaufgang auf der Ostterrasse und der Sonnenuntergang auf der Westterrasse gehören zu den eindrucksvollsten Erlebnissen, die den Besucher hier erwarten. Der Ort birgt bis heute ungelöste Rätsel: Obwohl König Antiochos in einem der Gräber auf dem Nemrut begraben sein soll, wurde sein Grab bis heute nicht gefunden.

Çayönü: Der Beginn der Zivilisation

Nur wenige Orte auf der Welt bieten einen so eindrucksvollen Blick auf die Anfänge der menschlichen Zivilisation wie Çayönü bei Diyarbakır. Die prähistorische Siedlung ist einer der Orte, an denen die Menschen erstmals sesshaft wurden, Ackerbau betrieben und Tiere domestizierten. Archäologische Ausgrabungen belegen, dass Çayönü bereits um 10.000 v. Chr. besiedelt war.

Die Überreste von Stein- und Lehmgebäuden gehören zu den ältesten der Welt und bieten wertvolle Einblicke in das Leben und die Architektur der Menschen in der Jungsteinzeit. Çayönü markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit – hier entwickelten sich die ersten Formen gesellschaftlicher Organisation und gemeinschaftlichen Lebens.

Halfeti: Versunkene Stadt am Euphrat

Halfeti, eine ruhige und malerische Stadt in der Nähe von Şanlıurfa, liegt heute größtenteils unter dem Wasser des Euphrat, nachdem das Gebiet durch den Bau eines Staudamms überflutet wurde. Die Geschichte von Halfeti reicht bis ins 9. Jahrhundert v. Chr. zurück, als die Stadt ein blühendes Handelszentrum war. Heute verzaubert die Stadt ihre Besucher mit einer ruhigen und friedlichen Atmosphäre, die durch die halb versunkenen Gebäude unter Wasser noch verstärkt wird.

Ein Highlight der Region ist die antike Festung Rumkale, die hoch über dem Euphrat thront und in römischer Zeit ein wichtiges religiöses Zentrum war. Heute zieht die beeindruckende Festung viele Touristen an, die die atemberaubende Aussicht und die historische Bedeutung des Ortes genießen.

Zeugma: Die Stadt der Mosaike

In der Nähe von Gaziantep liegt die antike Stadt Zeugma, einst eine der reichsten Städte des Römischen Reiches. Um 300 v. Chr. von Alexander dem Großen gegründet, war Zeugma ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Ost und West. Der Name “Zeugma” bedeutet Brücke und spiegelt die strategische Bedeutung der Stadt wider, die den Euphrat überspannte.

Heute ist Zeugma vor allem für seine atemberaubenden Mosaike bekannt, die in den römischen Villen gefunden wurden. Das berühmteste von ihnen, die “Zigeunerin”, fasziniert durch ihren geheimnisvollen Ausdruck. Heute sind viele dieser Kunstwerke im Zeugma Mosaik Museum in Gaziantep zu bewundern, das als eines der größten Mosaikmuseen der Welt gilt.

Dara: Das mesopotamische Ephesus

Die antike Stadt Dara in der Nähe von Mardin ist eine der am besten erhaltenen Städte des alten Mesopotamien. Einst ein wichtiges militärisches Zentrum des persischen Reiches und später eine befestigte byzantinische Metropole, beeindruckt Dara durch seine gigantischen Felsengräber und hochentwickelten Wassersysteme, die die antiken Bewohner mit frischem Wasser versorgten.

Dara, auch bekannt als das “Ephesus von Mesopotamien”, zeigt eindrucksvoll, wie hoch entwickelt die Ingenieurskunst dieser alten Zivilisationen war. Die riesigen unterirdischen Zisternen und die kunstvoll in den Fels gehauenen Gräber lassen die Geschichte auf eindrucksvolle Weise lebendig werden.

Harran: Hochburg von Wissenschaft und Religion

Harran, eine der ältesten durchgehend bewohnten Städte der Welt, war im Laufe der Geschichte sowohl ein religiöses als auch ein wissenschaftliches Zentrum. Bereits im 2. Jahrtausend v. Chr. war Harran eine wichtige Kultstätte des Mondgottes Sin. In späteren Jahrhunderten erlangte Harran Berühmtheit als akademisches Zentrum, insbesondere für seine Beiträge zur Philosophie, Astronomie und Mathematik.

Die berühmten Lehmhäuser von Harran mit ihrer charakteristischen Kegelform sind ein einzigartiges Beispiel für die Anpassung der Architektur an die extremen klimatischen Bedingungen der Region. Auch die Überreste der Festung von Harran und die Ruinen der alten Moschee zeugen von der Bedeutung dieser Stadt.

Hasankeyf: Verlorene Welt am Tigris

Hasankeyf, die antike Stadt am Tigris, war einst ein Zentrum von Kunst und Kultur. Heute liegt ein großer Teil Hasankeyfs unter den Fluten des Ilısu-Staudamms, was sowohl unter Historikern als auch unter der lokalen Bevölkerung zu heftigen Diskussionen geführt hat. Bevor die Stadt teilweise versank, war sie vor allem für ihre beeindruckenden Höhlen und die hoch über dem Tigris thronende Festung bekannt.

Trotz der Überschwemmung konnten viele bedeutende Bauwerke, darunter die berühmte Zeynel-Bey-Türbe, gerettet und an sichere Orte gebracht werden. Doch das ist nur ein schwacher Trost für den unwiederbringlichen Verlust eines so wichtigen Teils der Menschheitsgeschichte.