Zwei Szenarien für Istanbul: Deutscher Seismologe warnt vor möglichem Mega-Erdbeben

27.04.2025 – 12:00 Uhr

Nach dem Erdbeben vor Silivri am Mittwoch, das mit einer Stärke von 6,2 auf der Richterskala gemessen wurde, herrscht in Istanbul große Verunsicherung. Während die Bevölkerung Angst vor weiteren Erdstößen hat, diskutieren Experten über die Bedeutung des Bebens. Der deutsche Seismologe Prof. Dr. Marco Bohnhoff vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam zeichnet zwei mögliche Szenarien – eines davon mit alarmierenden Aussichten.

Laut Prof. Bohnhoff gibt es derzeit zwei wissenschaftlich plausible Erklärungen für das gestrige Ereignis: Entweder es war das Hauptbeben, dem nur noch kleinere Nachbeben folgen werden – oder es war ein so genanntes Vorbeben, das ein deutlich stärkeres Beben ankündigt. In letzterem Fall könnte ein künftiges Beben in der Marmara-Region eine Stärke von bis zu 7,4 erreichen.

„Ein solches Beben wäre gleichbedeutend mit dem lange erwarteten großen Marmara-Erdbeben“, erklärt Bohnhoff. Welches Szenario tatsächlich eintritt, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht eindeutig sagen.

Spannung entlang der Marmara-Verwerfung wächst – Istanbul im Fokus

Besonders besorgniserregend sei, so Bohnhoff, dass sich durch das jüngste Beben die seismische Spannung entlang der Marmara-Verwerfung offenbar in Richtung Istanbul verschoben habe. Diese Entwicklung erhöhe die Wahrscheinlichkeit weiterer starker Beben in der Region um die Millionenmetropole erheblich.

Auch wenn es nicht möglich ist, den genauen Zeitpunkt eines großen Bebens vorherzusagen, sprechen die geologischen Bedingungen dafür, dass Istanbul weiterhin einem erheblichen Erdbebenrisiko ausgesetzt ist.

Nachbeben wahrscheinlich – aber vermutlich weniger intensiv

Prof. Bohnhoff geht davon aus, dass es in den nächsten Tagen und Wochen zu weiteren Nachbeben kommen wird. Diese dürften aber überwiegend eine Stärke von unter 5 erreichen – was zwar immer noch spürbar, aber vergleichsweise weniger folgenschwer sein wird. Dennoch rät der Experte zu Vorsicht und Wachsamkeit.

Risiko bleibt hoch – keine Entwarnung für die Region

Bereits nach den verheerenden Erdbeben vom 6. Februar 2023 hatte Bohnhoff auf eine mögliche Umverteilung der Spannungen im Erdinneren hingewiesen. Seine aktuellen Aussagen bestätigen nun, dass sich diese Spannungen keineswegs abgebaut, sondern möglicherweise weiter nach Nordosten – und damit in Richtung Istanbul – verschoben haben.

Während einige Experten hoffen, dass das gestrige Beben das große Beben verhindert haben könnte, mahnen Experten wie Bohnhoff zur Zurückhaltung: „Die Erdbebensituation bleibt ernst – und die Vorbereitungen auf ein mögliches Großereignis sollten unbedingt fortgesetzt werden“.