Inmitten der trockenen und kargen Landschaft der Sahara spielt sich derzeit ein seltenes und alarmierendes Naturphänomen ab. Teile der größten Wüste der Welt werden von heftigen Überschwemmungen heimgesucht, die das sonst so lebensfeindliche Gebiet in eine Wasserlandschaft verwandeln. Besonders die marokkanische Wüstenstadt Merzouga steht derzeit im Mittelpunkt dieses extremen Wetterereignisses.
Die Bilder, die derzeit aus Merzouga kommen, wirken auf den ersten Blick surreal. Palmen, die normalerweise in der kargen Wüstenlandschaft wurzeln, stehen meterhoch im Wasser. Was wie eine gigantische Fata Morgana aussieht, ist für die rund 500 Einwohner der Region bittere Realität. Nach sintflutartigen Regenfällen wie seit Jahrzehnten nicht mehr hat sich die Wüste in weiten Teilen in eine Seenlandschaft verwandelt.
Für den Betrachter mögen solche Bilder faszinierend sein, für die Menschen vor Ort stellen sie eine ernsthafte Bedrohung dar. Denn die Wüste, die in der Regel weniger als 50 Millimeter Niederschlag pro Jahr verzeichnet, ist für solche Wassermassen nicht ausgelegt. Die Folgen sind verheerend: überschwemmte Gebiete, beschädigte Infrastruktur und Todesopfer.
Tödliche Fluten in Marokko und Algerien
Besonders betroffen sind die Wüstengemeinden im Südosten Marokkos. In den Orten Tata und Tagounite fielen Anfang September 99 Liter Regen pro Quadratmeter – und das in nur 24 Stunden. Die Gebiete, die normalerweise unter Trockenheit leiden, wurden von den Wassermassen regelrecht überschwemmt.
Auch Teile Algeriens waren von den Überschwemmungen betroffen. Insgesamt kamen bei den Unwettern fast zwei Dutzend Menschen ums Leben, darunter auch Touristen aus Kanada und Peru. Zudem wurden die elektrische Infrastruktur und die Trinkwasserversorgung stark beschädigt. Viele Straßen sind unpassierbar, was die Versorgung der betroffenen Gebiete erschwert.
Ursachen und Folgen des Wetterphänomens
Houssine Youabeb von der marokkanischen Generaldirektion für Meteorologie bezeichnete die Regenfälle als historisch. “So viel Regen in so kurzer Zeit hat es seit 30 bis 50 Jahren nicht mehr gegeben”, sagte der Meteorologe. Experten machen einen außertropischen Sturm für das extreme Wetter verantwortlich. Die durch den Temperaturanstieg erhöhte Verdunstung in der Atmosphäre führt zu mehr Feuchtigkeit in der Luft, die wiederum vermehrt heftige Stürme auslösen kann.
Dieses Phänomen könnte in den kommenden Jahren zu einer grundlegenden Veränderung des Wüstenklimas führen. Ob solche Ereignisse durch den Klimawandel verstärkt werden, ist Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen.
Hoffnung in der Krise
Trotz der dramatischen Folgen der Flutkatastrophe gibt es auch einen Hoffnungsschimmer für die Region. Die heftigen Regenfälle könnten dazu beitragen, die tief unter der Wüste liegenden Grundwasserspeicher wieder aufzufüllen. Diese Wasserreserven sind für die Versorgung der Wüstenbewohner von entscheidender Bedeutung. Vor den jetzigen Regenfällen litt Marokko sechs Jahre lang unter einer schweren Dürre, die viele Bauern zwang, ihre Felder aufzugeben. Auch Wasserrationierungen in Städten und Dörfern waren an der Tagesordnung.
Experten hoffen nun, dass die ungewöhnlich starken Regenfälle langfristig zu einer Stabilisierung der Wasserressourcen in der Region führen könnten. Doch die Sorge vor weiteren Wetterextremen bleibt.