In der westtürkischen Stadt Manisa, genauer gesagt in der Region Kula, haben Wissenschaftler eine bahnbrechende Entdeckung gemacht: Unter der Erdkruste befinden sich mehrere Magmakammern, von denen eine nur wenige Kilometer unter der Erdoberfläche liegt. Diese neue Erkenntnis lässt die Möglichkeit einer zukünftigen vulkanischen Aktivität in der Türkei realistischer erscheinen. Es wäre das erste Mal in der modernen Geschichte des Landes, dass ein Vulkan ausbricht.
Die Forscher unter der Leitung von Prof. Dr. Özgür Karaoğlu von der Eskişehir Osmangazi Universität identifizierten insgesamt acht Magmakammern in unterschiedlichen Tiefen. Besonders besorgniserregend ist eine große Kammer, die sich nur fünf Kilometer unter der Erdoberfläche befindet. Prof. Karaoğlu warnt davor, dass Erdbeben oder andere tektonische Bewegungen die Aktivität dieser Magmakammer auslösen könnten. “Diese Magmakammer befindet sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium der Annäherung an die Erdoberfläche und beeinflusst sogar die geothermischen Systeme der Region”, erklärt er.
Historische und geologische Bedeutung der “Verbrannten Erde”
Die Region Kula, im antiken Griechenland als „Katakekaumene“ oder „Verbrannte Erde“ bekannt, spielt nicht nur geologisch, sondern auch historisch eine bedeutende Rolle. Der antike Geograph Strabon erwähnt in seinen Schriften die vulkanische Vergangenheit dieser Region. Heute ist das Gebiet als Geopark Kula-Salihli Teil des UNESCO-Welterbes und eine Attraktion für Touristen und Wissenschaftler. Die charakteristischen Vulkankegel, erstarrten Lavafelder und Thermalquellen machen die Region zu einem Naturwunder und einer geologischen Schatzkammer.
Technologischer Durchbruch: Kartierung der Magmakammern
In dem von der türkischen Wissenschaftsorganisation TÜBİTAK geförderten Projekt arbeiteten Forscher mehrerer Universitäten zusammen. Sie setzten 15 spezielle Seismometer ein, um die Bewegungen im Erdinneren zu messen. Die Untersuchungen ergaben, dass sich die Magmakammern in Tiefen von 5 bis 30 Kilometern unter der Erdoberfläche befinden. Vor allem die größte Kammer, die nur fünf Kilometer unter der Erdkruste liegt, birgt das Potenzial für erneute vulkanische Aktivität. Erdbeben und Verschiebungen entlang aktiver Verwerfungen könnten einen Ausbruch beschleunigen.
4.700 Jahre seit dem letzten Ausbruch
Die letzte vulkanische Aktivität in der Kula-Region liegt rund 4.700 Jahre zurück. Doch das könnte sich laut Prof. Karaoğlu bald ändern. “Die Nähe und die Anordnung der Magmakammern zur Erdoberfläche deuten darauf hin, dass das Risiko einer erneuten Aktivität hoch ist”, betont er. Die aktiven Störungszonen in der Region könnten den Druck auf das Magma erhöhen und so eine neue Eruption auslösen.
Technologischer Meilenstein für die Türkei
Auch Prof. Dr. Bülent Kaypak von der Universität Ankara betont, dass die in diesem Projekt angewandten Techniken eine Premiere für die Türkei darstellen. Mit Hilfe von Erdbebendaten konnten die Forscher eine detaillierte Karte der unterirdischen Magmakammern erstellen. “Diese Studie wird nicht nur die wissenschaftliche Forschung voranbringen, sondern auch wirtschaftliche Chancen eröffnen, insbesondere im Bereich der Geothermie”, erklärt Kaypak.
Zukünftige Chancen und Risiken
Die Entdeckung der Magmakammern und die mögliche vulkanische Aktivität in der Kula-Region werfen viele Fragen auf. Die Wissenschaftler betonen, dass eine kontinuierliche Überwachung der Region notwendig ist, um die Risiken besser einschätzen zu können. Sollte es erneut zu einem Vulkanausbruch kommen, würde dies die Türkei international ins Rampenlicht rücken – sowohl als geologisches Phänomen als auch als Herausforderung für das Katastrophenmanagement.