Istanbul plant eine neue Ära im Stadtverkehr: Die Zufahrt zu einigen zentralen Bezirken der Millionenmetropole soll für Fahrzeuge künftig kostenpflichtig werden. Als Pilotprojekt dient der historische Stadtteil Eminönü, gefolgt von Kadıköy und Beyoğlu. Ziel ist es, die Verkehrsbelastung zu reduzieren, die Luftqualität zu verbessern und den öffentlichen Nahverkehr zu stärken.
Pilotprojekt zur nachhaltigen Verkehrsplanung
Die Maßnahme ist Teil des „Plans für nachhaltige urbane Mobilität in Istanbul“ (SKUP), der von der Stadtverwaltung Istanbul (İBB) und der Europäischen Union entwickelt wurde. Das Programm sieht vor, dass Fahrzeughalter für die Zufahrt in stark frequentierte Gebiete eine Gebühr entrichten müssen. Als erstes Gebiet wird der historische Stadtteil Eminönü getestet: Eine Fläche von rund sechs Quadratkilometern soll in das System integriert werden. Danach soll Kadıköy, insbesondere der beliebte Stadtteil Moda, einbezogen werden.
Zusätzlich werden so genannte „Niedrigemissionszonen“ eingerichtet. Umweltfreundliche Fahrzeuge profitieren von ermäßigten Tarifen, während ältere und umweltschädlichere Fahrzeuge höhere Gebühren zahlen müssen.
Erfahrungen anderer Städte als Vorbild
In Städten wie London, Stockholm, Mailand und Singapur wurde das Konzept der „Staugebühr“ bereits erfolgreich eingeführt. Professorin Ayşe Uyduranoğlu von der Istanbul Bilgi Universität berichtet, dass ähnliche Systeme in diesen Städten die Verkehrsbelastung um bis zu 40 Prozent reduziert und den öffentlichen Nahverkehr um 5 bis 10 Prozent attraktiver gemacht haben.
Ein Beispiel ist London, das 2003 die „Congestion Charge“ eingeführt hat. Dort zahlen Autofahrer 15 Pfund, um in besonders verkehrsbelastete Stadtteile zu gelangen. Das Ergebnis: 20 Prozent weniger Verkehr. Auch Stockholm und Mailand konnten mit vergleichbaren Maßnahmen die Luftqualität und das Verkehrsaufkommen deutlich verbessern.
Mehr Fußgängerzonen und alternative Mobilitätskonzepte
Die Einführung der gebührenpflichtigen Zufahrtszonen ist Teil eines umfassenderen Plans, den die Istanbuler Stadtverwaltung seit drei Jahren vorbereitet. Gürkan Akgün, Leiter der Abteilung Stadtplanung bei der İBB, betont, dass neben der Verkehrsberuhigung auch die Förderung des Fußgänger- und Radverkehrs sowie die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs im Fokus stehen.
Akgün erklärte: „Wir verfolgen klare Ziele wie die Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs, die Priorisierung von Fußgängern und Radfahrern sowie die Reduzierung von Lärm- und Luftemissionen. Der Ausbau von Alternativen zum privaten Pkw steht dabei im Mittelpunkt.“
Herausforderungen und weitere Schritte
Laut Melda Horoz, Leiterin der Verkehrsplanung bei der İBB, wurden als erste Gebiete für die Einführung von Umweltzonen die historische Halbinsel, Kadıköy-Moda und Beyoğlu identifiziert. Die Umsetzung wird jedoch nicht ohne Herausforderungen ablaufen: Öffentliche Akzeptanz, technische Infrastruktur und finanzielle Machbarkeit spielen eine zentrale Rolle.
Während der Verkehr in Istanbul laut TomTom-Index weltweit auf Platz 65 der staureichsten Städte liegt, könnten die neuen Maßnahmen ein Vorbild für andere Metropolen sein. Ist das Pilotprojekt erfolgreich, könnte es langfristig zur Entlastung der Stadt und zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen.